Sexualität

Psychisches Befinden bei Störungen und Belastungen in der Sexualität

– eine Information für Betroffene und Angehörige –

Sexualität ist eines der zentralen Themen in unserem Leben. In den Medien gibt es mittlerweile kaum noch Tabus in der Darstellung von Sexualität, so dass der Eindruck einsteht, es sei völlig selbstver­ständlich, über sexuelle Praktiken und Probleme zu sprechen. Auch wird der Eindruck vermittelt, dass die meisten Menschen ein erfülltes Sexualleben haben. Schnell kommt da der Gedanke auf, man selbst sei alleine mit seinen Problemen und Fragen. Gerade zu Beginn des sexuellen Erlebens fühlen sich junge Frauen oft verunsichert und schämen sich, über ihre Sorgen zu sprechen.

Sexuelle Funktionsstörungen

Man spricht auch von sexueller Dysfunktion oder sexuellen Funktionsstörungen, wenn Betroffene ihr individuelles Sexualleben nicht erfüllend gestalten können und dadurch Leidensdruck entsteht. Die Bezeichnung „sexuelle Funktionsstörung“ bezieht sich auf die körperlichen und psychischen sexuellen Reaktionen bei „üblichen“ und – wichtig – einvernehmlichen Sexualpraktiken. Normabweichendes Sexualverhalten oder Sexualität ohne Freiwilligkeit wird darunter nicht gefasst.

Unterschieden wird zwischen „primären Sexualstörungen“ (es war noch nie anders) und „sekundären Sexualstörungen“ (die Sexualität konnte schon erfüllend gelebt werden, Störungen haben sich erst entwickelt).

Sexualstörungen bei Frauen sind nach der ICD-10 (dem in Deutschland gebräuchlichen Diagnose­system):

  • Mangel oder Verlust von sexuellem Verlangen (Libidoverlust)
  • Sexuelle Aversion und mangelnde sexuelle Befriedigung
  • Versagen genitaler Reaktionen (Bei Frauen z.B. Trockenheit der Scheide)
  • Orgasmusstörung
  • Nichtorganischer Vaginismus (Verkrampfung der Muskulatur im Scheidenbereich, so dass das Eindringen des Penis beim Geschlechtsverkehr sehr schmerzhaft bzw. nicht möglich ist.)
  • Nichtorganische Dyspareunie (Schmerzen beim Geschlechtsverkehr ohne körperliche Störung)

Auswirkungen und Ursachen

Es ist bekannt, dass Sexualität leicht störbar ist. Zu den individuellen körperlichen wie psychischen Faktoren kommen partnerschaftliche und interaktionelle Aspekte hinzu. So etwa die psychische Belastung, wenn das Gefühl entsteht, die sexuellen Erwartungen des Partners/der Partnerin nicht zu erfüllen. Oder der Einfluss auf die Sexualität, wenn ernsthafte Konflikte die Partnerschaft beherr­schen.

Insgesamt stellt sich das Thema Sexualität immer sehr komplex dar. Bei den meisten Störungen muss man von einem sogenannten multifaktoriellen Geschehen ausgehen, was bedeutet, dass mehrere Faktoren bei der Entstehung beteiligt sind.

Nach einer Entbindung erleben viele Frauen zunächst einen Rückgang ihres sexuellen Verlangens (Libido). Auch hier können mehrere Faktoren die Sexualität beeinflussen.

Kam es zu Geburtsverletzungen (Dammriss o.ä.) braucht es zunächst Heilungsprozesse, um sich wieder auf Geschlechtsverkehr mit dem Partner/der Partnerin einzulassen. Durch das Stillen und das Wochenbett können aber auch die Hormone beispielsweise für Scheidentrockenheit und ver­minder­te Lust verantwortlich sein. Zudem erleben sich vor allem Frauen nach der ersten Entbindung in einer komplett neuen Rolle als Mutter, mit sehr viel Fürsorge ausgerichtet auf ihr Baby, wobei der Partner /die Partnerin ins Hintertreffen geraten kann.

Auch wenn Frauen in die Wechseljahre kommen, können Veränderungen des sexuellen Erlebens auf­treten. Einerseits ist es der Abschied von der Fruchtbarkeit, der belasten kann. Andererseits kann es aber auch befreiend sein, sich keine Gedanken mehr über Verhütung machen zu müssen. Nicht selten kommt es bedingt durch einen Verlust des sexuellen Verlangens zur Abnahme der sexuellen Aktivitäten insgesamt.

Auch Probleme beim Partner (z.B. Erektionsstörungen) oder der Partnerin (die vielleicht selbst unter einer sexuellen Funktionsstörung leidet) können eine Belastung und Verunsicherung darstellen. Handelt es sich dabei um altersbedingte Veränderungen, führt das möglicherweise einfach zur Abnahme sexueller Kontakte, ohne dass die Partner darunter leiden.

Erkrankungen und Medikamente

Zu vorübergehenden oder andauernden Störungen der sexuellen Erlebnisfähigkeit kann es bei Erkrankungen kommen, die die Brust oder den Unterleib betreffen. Besonders durch operative Eingriffe (z.B. Entfernung der Brust bei Brustkrebs) kann das Selbstbewusstsein einer Frau erheblich beeinträchtigt sein, was sich meist auf ihr Erleben von Weiblichkeit und Sexualität auswirkt. Auch Schwierig­keiten des Partners/der Partnerin, sich mit den körperlichen Veränderungen bei seiner /ihrer Frau auseinanderzusetzen, wie auch Missverständnisse diesbezüglich zwischen den Partnern können zu Problemen führen.

Einflüsse von körperlichen Erkrankungen (wie etwa Diabetes mellitus) und Medikamenten (z.B. manche Antidepressiva, Mittel gegen Bluthochdruck etc.) auf die Sexualität werden ebenfalls be­obachtet, bei Männern wie bei Frauen. Auch wenn Frauen nach einer Brustkrebserkrankung über mehrere Jahre eine sogenannte „Antihormontherapie“ einnehmen, können sich Veränderungen von Libido und Sexualerleben zeigen.

Eine weitere Belastung im Bereich der Sexualität kann das weitgehend unbekannte Krankheitsbild „persistierende genitale Erregung bei Frauen“ darstellen. Es besteht eine dauerhafte ungewollte sexuelle Erregbarkeit, wobei auch kein sexuelles Verlangen aufkommt. Das Problem bleibt allerdings oft unerkannt, da sich die Frauen nicht trauen, darüber zu sprechen.

Transidentität /Intersexualität

Transidentität (auch als „Transsexualität“, „Transgender“ oder auch „Geschlechtsinkongruenz“ bezeichnet) ist oftmals schon in jüngeren Jahren ein Thema. Betroffene Menschen haben hierbei das Gefühl, im falschen Körper, im falschen Geschlecht gefangen zu sein. Auch wenn die Problematik zunehmend häufiger und offener in den Medien diskutiert wird, ist es für persönlich Betroffene oftmals sehr schwer, sich über ihre eigene Situation klar zu werden und ihren Weg durch Namens- und Personenstandsänderung, Hormontherapie und operative Geschlechtsangleichung zu finden.

Gleiches trifft zu für intersexuelle Menschen, wenn also das biologische, d.h. das chromosomale, und das äußere Geschlecht nicht zusammen passen. Betroffene erfahren manchmal erst davon, wenn im Erwachsenenalter Untersuchungen gemacht werden, z.B. weil bei einer jungen Frau die Periode nicht eintritt oder z.B. im Sport, wenn eine Frau Hochleistungen erbringt, die deutlich über das weibliche Leistungsniveau hinausgehen.

Was hilft?

Bei allen Belastungen im Sexualerleben kann es eine große Entlastung sein, über die Unsicherheiten und Probleme zu sprechen. Oftmals stellt bereits das offene Gespräch mit der behandelnden Frauen­ärztin/dem Frauenarzt eine Entlastung und Hilfestellung dar. Hier können Wege aufgezeigt werden, die wieder zu einer größeren Erfüllung im sexuellen Erleben führen können.

Gemeinsam kann auch überlegt werden, ob eine weitere Unterstützung im Rahmen einer Sexual- oder Paartherapie hilfreich sein kann (eine Psychotherapeutin/einen Psychotherapeuten mit einer solchen Spezialisierung findet man z.B. über den Informationsdienst „www.psychotherapiesuche.de“. Auch auf den Seiten der Fachgesellschaften (s. unten) finden sich Listen mit ausgewiesenen Sexual­therapeutinnen/Sexualtherapeuten. Da es selbst im therapeutischen Gespräch nicht immer einfach ist, über Sexualität zu sprechen, sollte man sich vorher überlegen, ob es eine weibliche Therapeutin oder ein männlicher Therapeut sein sollte.

Bei bestimmten Problemen (wie etwa Vaginismus) kann es auch sinnvoll sein, wenn die betroffene Frau erst einmal eine Psychotherapie ohne Partner/Partnerin macht, da die Ursachen dafür nicht selten in der eigenen Vorgeschichte/Biographie liegen.

Erste Anlaufstelle können Familienberatungsstellen sein wie Diakonie, Profamilia, Sozialdienst Katholischer Frauen und Familienplanungs­zentren etc., die in der Regel auch Sexualberatung und Paargespräche anbieten.

Weiterführende Informationen

Barbach L (2002) For yourself. Die Erfüllung weiblicher Sexualität. Ullstein, Berlin

Bragagna E (2013) Weiblich, sinnlich, lustvoll: Sexualität erfüllt erleben. Ueberreuter, Wien

Hasenburg A, Schwab R, Fortmann J (Hrsg.) (2020) Sexualität nach gynäko-onkologischen Erkrankungen. Walter de Gruyter, Berlin

Schnarch D (2016) Die Psychologie sexueller Leidenschaft. Klett-Cotta, Stuttgart

Zettl S, Hartlapp J (2008) Krebs und Sexualität: Ein Ratgeber für Krebspatienten und ihre Partner. Weingärtner

Deutsche Gesellschaft für Sexualmedizin, Sexualtherapie und Sexualwissenschaft (www.dgsmtw.de)

Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung (www.dgfs.info)

Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität e.V. (www.dgti.org)

Psychotherapieinformationsdienst: www.psychotherapiesuche.de