Krebserkrankung und Psyche

Psychisches Befinden bei Brustkrebs und gynäkologischen Krebserkrankungen

– eine Information für Betroffene und Angehörige –

Die Diagnose

Die Feststellung einer Krebserkrankung wird häufig wie ein Schock erlebt. Manchmal sind dieser Diagnose körperliche Beschwerden oder Veränderungen vorausgegangen, und die Betroffenen haben eine Phase der Diagnostik, des Wartens und der Ungewissheit hinter sich. Viele trifft das Ergebnis jedoch völlig unerwartet (z.B. nach einer Routine-Vorsorgeuntersuchung) und widerspricht dem eigenen Gefühl, gesund zu sein.

Zunächst erleben nicht wenige die Feststellung der Erkrankung und die unmittelbare Zeit danach wie in einem Nebel oder Film, so als wäre alles unwirklich um sie herum. Auch Wut und Ärger darüber, dass die Erkrankung erst jetzt erkannt wurde, können auftreten, und man fragt sich, was man selber oder andere anders hätten machen können. Häufig löst schon die Bezeichnung „Krebs“ Todesängste und Endzeitstimmung aus, da Behandlungsmöglichkeiten und Heilungschancen wenig bekannt sind. Wenn bereits im Verwandten- oder Bekanntenkreis jemand an Krebs erkrankt oder gestorben ist, sind diese Bilder sehr präsent und schwierig zu trennen von der eigenen Erkrankung.

Genau in dieser Phase müssen meist viele und schnelle Entscheidungen zur weiteren Vorgehensweise, zu Operationen und zur Therapie getroffen werden. Den meisten Betroffenen gelingt es hierbei zu funktionieren, ohne etwas zu empfinden. Erst später findet in der Regel eine stärkere Auseinandersetzung mit der Diagnose statt. Die Frage „Warum ich? “ beschäftigt dann viele. Und in Verbindung mit der Suche nach Antworten können Gefühle des Haderns, Selbstvorwürfe und Schuldgefühle auftreten. Gerade weil zu der Verursachung von Krebserkrankungen viele Gerüchte kursieren (meist sehr fragwürdige, wie z.B. man habe zu viel Stress gehabt oder zu wenig auf sich selber geachtet etc.), ist diese Suche so belastend. Allerdings gibt es ebenfalls die Erfahrung, dass Betroffene sehr gelassen und/oder pragmatisch reagieren. Es werden nicht selten positive Energien freigesetzt, die es ermöglichen, sich dieser Erkrankung zu stellen.

Körperliche und psychische Veränderungen

Eine Krebserkrankung kann sowohl sichtbare körperliche Veränderungen als auch weniger sichtbare Folgen nach sich ziehen. Das veränderte Körperbild wird unterschiedlich gut akzeptiert, und es braucht Zeit, bis der veränderte Körper so angenommen werden kann. Dies kann dazu führen, dass jemand sich nicht mehr nackt vor dem Partner zeigen möchte, Berührungen vermeidet, nicht mehr ins Schwimmbad oder an den Strand geht oder sich sogar selber nicht ansehen oder anfassen mag. Weniger sichtbar bleiben Erschöpfungszustände oder Stresssymptome, die nicht minder belastend sind.

Psychische Folgen können in einer Änderung der Gefühlswelt liegen. Vielleicht treten Gefühle auf, die der Betroffene vorher kaum bei sich kannte, wie starke Niedergeschlagenheit, Ärger oder Ängste. Selbst wenn diese Gefühle vorher schon einmal aufgetreten waren, können sie sich im Verlauf einer Krebserkrankung verstärken und die Patientin irritieren. Manchmal besteht der Eindruck, gar nichts mehr fühlen zu können, oder im Gegenteil, viel intensivere und positive Gefühle treten auf. Die Erlebnisse können von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein.

Das soziale Umfeld

Nach der Diagnose einer Krebserkrankung besteht bei den meisten Betroffenen das Gefühl, die ganze Welt habe sich verändert, nichts sehe mehr so aus wie vorher. Dies trifft nahe Angehörige und engste Freunde ähnlich wie die Betroffenen selber. Gleichzeitig besteht eine große Verunsicherung, was man jetzt für den Betroffenen tun kann, was ihm helfen würde. Dies ist umso schwieriger, weil die Betroffenen dies häufig selbst nicht wissen und deshalb als abweisend und ablehnend erlebt werden.

Auch auf die oben angesprochenen Gefühlsschwankungen einzugehen, ist nicht immer leicht. Gerade Lebenspartner, Kinder oder Eltern der Betroffenen haben mit eigenen Ängsten und Befürchtungen zu kämpfen. Bestanden bereits vor der Erkrankung Probleme in der Partnerschaft oder der Familie, können diese nach einer Diagnosestellung als besonders belastend oder unerträglich empfunden werden. Oftmals besteht das Bedürfnis, diese Konflikte bald klären zu wollen.

Unsicherheiten können zudem am Arbeitsplatz und im weiteren familiären und sozialen Umfeld entstehen. Jedoch nicht selten machen Betroffene auch positive Erfahrungen im Umgang mit ihren Mitmenschen. Viele fühlen sich sehr umsorgt und unterstützt, erfahren viel Aufmerksamkeit und Mitgefühl.

Was hilft?

Für viele Krebspatientinnen ist es hilfreich, wenn sie über ihre Ängste, Hoffnungen und Erfahrungen sprechen können. Als Gesprächspartner kann jede nahestehende Person in Frage kommen (Partner, erwachsene Kinder, gute Freunde, Eltern etc.). Manchmal besteht aber der Wunsch, vor allem die Familie zu schonen und nicht mit eigenen Ängsten zu belasten. In diesen Fällen könnte ein Austausch mit Gleichbetroffenen, z.B. in angeleiteten oder freien Selbsthilfegruppen, hilfreich sein. Auch psychoonkologische Einzelberatungen oder -therapien könnten in Anspruch genommen werden. Angst reduzierend kann eine aktive Informationssuche zu der Erkrankung wirken, z.B. durch Fachliteratur, Internet etc. Erfahrungsberichte Betroffener und deren Krankheitsgeschichten wirken dagegen meist sehr verunsichernd und eher Angst auslösend.

Wichtig ist zu wissen, dass es vor allem der individuelle Weg ist, der hilft. Und dieser ist sicherlich nicht immer einfach zu finden. Es kann gut tun, so bleiben zu dürfen, wie man ist, wenn man sich wohl fühlt. Es kann aber auch helfen, Dinge, die einen schon länger stören, zu ändern. Mit großem Druck verbunden ist der Wunsch einiger Menschen, nur noch positiv denken zu wollen oder bestimmte Heilsdiäten durchzuhalten; da solche Ziele meist nicht durchzuhalten sind, sollte man sie sich gar nicht erst stellen. Negativ denken, traurig sein und sich nicht immer an Ernährungsvorschriften zu halten, gehört dazu und ist keineswegs schädlich. Wichtig ist nur, dass dies nicht der ausschließliche Weg bzw. Zustand ist.

Einige Psychotherapeuten haben inzwischen eine psychoonkologische Zusatzausbildung, die als Suchkriterium hilfreich sein kann. An den zertifizierten Krebszentren sind immer auch Psychoonkologen beschäftigt, die stationär, manchmal auch ambulant Beratung oder Therapie anbieten oder zumindest bei der spezifischen Suche helfen können.

Weiterführende Informationen

Bevorzugt sollten Sie sich für informative Ratgeber von Experten in dem Bereich entscheiden.

Hier können nur ein paar wenige Literaturhinweise gegeben werden, ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

  • Beuth J (2014) Krebs ganzheitlich behandeln. 4. Aufl. TRIAS, Stuttgart
  • Broeckmann S (2015) Plötzlich ist alles ganz anders – wenn Eltern an Krebs erkranken. Stuttgart: 3. Auflage Klett-Cotta 2015.
  • Geuenich K (2014) Krebs gemeinsam bewältigen – Wie Angehörige durch Achtsamkeit Ressourcen stärken. Schattauer, Stuttgart
  • Goldmann-Posch U, Martin RR (2012) Überlebensbuch Brustkrebs. Schattauer, Stuttgart
  • Rexrodt von Fircks A (2016) Ich brauche euch zum Leben: Gemeinsam den Krebs besiegen. Ullstein
  • Zettl S, Hartlapp J.(2008) Krebs und Sexualität: ein Ratgeber für Krebspatienten und ihre Partner. Weingärtner-Verlag
  • Blaue Reihe: Zu verschiedenen Themen kostenfreies Informationsmaterial der Deutschen Krebshilfe e.V. – krebshilfe.de
  • Krebsinformationsdienst (KID) Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg: krebsinformation.de.
  • Das Informationsnetz für Krebspatienten und Angehörige: inkanet.de
  • Deutsche Krebsgesellschaft e.V.: krebsgesellschaft.de
  • Frauenselbsthilfe nach Krebs e.V.: frauenselbsthilfe.de